Lambusch: „Norddeutschland steht vor einem Betriebsärzte-Notstand“
Umfrage zur Arbeitsmedizin von NORDMETALL und AGV NORD
Die Betriebe der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie stehen vor immer größeren Problemen bei der Sicherstellung der arbeits- und betriebsmedizinischen Versorgung. Das ist das beunruhigende Ergebnis einer Umfrage der Arbeitgeberverbände NORDMETALL und AGV NORD unter ihren Mitgliedsunternehmen.
Allein 20 Prozent der Firmen finden keine geeigneten Ärzte und können diese wichtige betriebliche Funktion nicht adäquat besetzen, in Mecklenburg-Vorpommern sogar 30 Prozent. Jeder fünfte Betrieb im Norden ist mit den Leistungen seines Arbeitsmediziners unzufrieden und würde gern wechseln, wenn er könnte. Nach den Berichten aus vielen Firmen befinden sich zahlreiche Betriebsärzte kurz vor dem Rentenalter oder sind eigentlich bereits im Ruhestand. Die Betriebe treibt die Sorge um, Ersatz für die ausscheidenden Mediziner zu finden.
NORDMETALL-Präsident Thomas Lambusch: „Es gibt seit Jahren in ganz Deutschland zu wenig Arbeitsmediziner. Überdies sind nach Aussagen der Bundesärztekammer rund 60 Prozent der gut 12.500 Ärzte mit arbeitsmedizinischer Fachkunde 60 Jahre oder älter, scheiden also bald aus dem Berufsleben aus. Das hat vor allem in ländlichen Gegenden dramatische Folgen: In weiten Teilen Norddeutschlands und vor allem in Mecklenburg-Vorpommern stehen Betriebe vor einem Betriebsärzte-Notstand. Die Aufrechterhaltung der arbeitsmedizinischen Versorgung ist nur äußerst schwierig zu gewährleisten. Das darf nicht so weitergehen: Die Politik in den norddeutschen Landeshauptstädten sollte sich dringend der Förderung der Arbeitsmedizin widmen, so wie es etwa 2014 an der Universität Lübeck mit der Errichtung einer Stiftungsprofessur geschehen ist. Und die Bundespolitik muss erkennen, dass sie die Verantwortung für eine gute betriebsmedizinische Versorgung nicht bei den Unternehmen abladen kann, wenn sie gleichzeitig nicht genug für Nachwuchsförderung und Rechtssicherheit der Arbeitsmediziner vor Ort tut.“
Andrea Dietrich, Geschäftsführerin von NORDGesundheit, dem Kompetenzzentrum von NORDMETALL für Arbeits- und Gesundheitsschutz: „Viele Betriebe beklagen die langen Anfahrtswege ihrer Ärzte, zum Teil über zweihundert Kilometer. Das raubt Zeit, die dann für Untersuchungen und Beratungen fehlt. Kurzfristige Leistungen fallen dann häufig weg. Einige Betriebe klagen darüber, dass Arbeitsmediziner lieber für Großbetriebe arbeiten und sich für Kleinbetriebe und Fahrten in Landregionen keine Zeit nehmen. Auch die Dokumentationen und Abrechnungen vielbeschäftigter Ärzte werden bemängelt: Ihnen fehle oftmals die Zeit für eine detaillierte Beschreibung der erbrachten betriebsärztlichen Leistungen.“
Die Betriebe der M+E-Industrie suchen zunehmend engagierte Betriebsmediziner, die nicht nur die üblichen Routineuntersuchungen durchführen, sondern den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz auch aktiv unterstützen. Der aktuelle Betriebsärztemangel führt dazu, dass bedarfsgerechte Leistungen wie die Unterstützung des Betrieblichem Eingliederungsmanagements (BEM), allgemeine Gesundheits-Checks, Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung, Ernährungs- oder Suchtberatungen von den Betriebsärzten nur selten angeregt und unterstützt werden.
Andrea Dietrich, Geschäftsführerin NORDGesundheit: „Der demografische Wandel, die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, die Alterung der Belegschaften sowie der zunehmend schwerer zu deckende Fachkräftebedarf werden zusätzliche Anstrengungen erfordern, um die Gesundheit der Mitarbeiter zu erhalten. NORDGesundheit berät die Unternehmen bei der Gestaltung dieser Prozesse. Der aktuelle Zusatzbedarf an betriebsärztlichen Leistungen wurde vom Gesetzgeber erkannt: Die neueste Novelle der Vorschriften der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) unterscheidet nun zwischen verpflichtenden und bedarfsgerechten Maßnahmen. Das wird aber nicht reichen: Die berufsgenossenschaftliche Vorschrift ,Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit‘ (DGUV Vorschrift 2) mit ihrem erweiterten Aufgabenkatalog für die betriebsärztliche Betreuung und das breite Themenfeld der psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt wird voraussichtlich vermehrt Unterstützungsleistungen durch Betriebsärzte erfordern.“
NORDMETALL und der AGV NORD fordern die Umsetzung eines Maßnahmenkataloges, um den Mangel an Arbeits- und Betriebsmedizinern zu beheben:
- Schaffung zusätzlicher Lehrstühle zur Arbeits- und Betriebsmedizin an Hochschulen
- Erhöhung der Anzahl von Studienplätzen
- Motivation des Nachwuchses zur Ausbildung und Arbeit als Betriebsmediziner
- Leichtere Erlangung der Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ für Fachärzte
- Bundesweite Anerkennung von Abschlüssen im Bereich der Arbeits- und Betriebsmedizin
- Attraktive Gestaltung des Berufsfeldes Betriebsarzt
- Ausweitung der Möglichkeiten, am sog. Unternehmermodell teilnehmen zu können, nach dem sich mehrere Firmen einen Betriebsarzt in intensiver Koordination teilen.
- Unterstützung von Weiterbildungen für medizinisches Assistenzpersonal.
An der Onlineumfrage von NORDMETALL und dem AGV NORD beteiligten sich rund 200 Betriebe der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie aus den Bundesländern Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und dem nordwestlichen Niedersachsen. Die Einzelergebnisse, Grafiken und die offizielle Statistik über die Anzahl der Arbeits- und Betriebsmediziner in den einzelnen Bundesländern und deren Alter finden Sie auf www.nordmetall.de/betriebsaerzte
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