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Position der Vereinigung der Unternehmensverbände für Mecklenburg-Vorpommern (VU) für eine schrittweise Normalisierung in der Corona-Krise

Einleitung
Die Bundesregierung und die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern sowie die Be-schäftigten in den jeweiligen öffentlichen Verwaltungen haben schnell und hoch engagiert auf die Pandemie mit dem neuartigen Corona-Virus reagiert. Entschlossen, pragmatisch und in enger Abstimmung mit den Sozialpartnern, Kammern und den Kommunalen Ebenen sind diese in ihren Dimensionen und Auswirkungen unbekannten Herausforderungen bislang bewältigt worden. Die Maßnahmen zur Herstellung sozialer und räumlicher Distanz sowie die Beschränkungen und Verbote verschiedener wirtschaftlicher Tätigkeiten konnten die Ausbreitung des Corona-Virus voraussichtlich verzögern.

Gleichwohl ist diese bittere Medizin für viele Unternehmen mit extrem harten Konsequenzen verbunden. Eine der tragenden Branchen im Land, der Tourismus, ist vollständig zum Erliegen gekommen.[1] Dem von den staatlich verordneten Ladenschließungen betroffenen Einzelhandel wurde von einem Tag auf den anderen die Geschäftsgrundlage entzogen. Viele dieser Händler sind Mittelständler, die ohne eigenes Verschulden plötzlich um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen müssen.[2]

Die Folgen für das stark vernetzte produzierende Gewerbe sind ebenfalls gravierend und in ihren Nachwirkungen noch nicht absehbar. Insbesondere die Maritime Wirtschaft und deren Zulieferer müssen sich nach einer vorherigen starken Aufschwungphase nun auf schwierige Zeiten einstellen. Allein die Bauwirtschaft, die mittleren und größeren Unternehmen der Ernährungsindustrie sowie Teile des Handwerks in Mecklenburg-Vorpommern sind glücklicherweise von der Corona-Krise bislang vergleichsweise wenig betroffen.

Die VU hofft nun, dass die Landesregierung bei gleichzeitiger konsequenter Einhaltung des Infektionsschutzes die Beschränkungen und Verbote bestimmter wirtschaftlicher Tätigkeiten schrittweise zurücknehmen und eine allmähliche Normalisierung des öffentlichen Lebens verantwortlich umsetzen kann. Lockerungsmaßnamen sollten zwar so schnell wie möglich, aber so spät wie nötig eingeführt werden. Lieber einen Tag zu spät als einen Tag zu früh. Wichtig ist nicht ein möglichst früher Termin, sondern eine klare Perspektive mit klaren Kriterien.

Prinzipien einer Corona-Exitstrategie aus Sicht der Wirtschaft
Zur Begrenzung weiterer wirtschaftlicher, sozialer und gesundheitlicher Schäden sollten diese Lockerungsmaßnahmen auf der Basis folgender Grundprinzipien erfolgen:

1. Politik behält die Verantwortung
Die Wirtschaft trägt die temporäre Regulierung des gesellschaftlichen und privaten Lebens sowie die befristete Einschränkung der wirtschaftlichen Aktivitäten mit, sofern diese helfen, die Corona- Infektionsrate zu reduzieren und verhältnismäßig sind. Sie unterstützt die Landesregierung mit ihrer praxisnahen Expertise und durch Bereitstellung relevanter Brancheninformationen. Die Politik bündelt alle notwendigen Informationen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft, wägt verschiedenste Rechtsgüter und Zielkonflikte ab und leitet aus extrem komplexen Zusammenhängen entsprechende Schlussfolgerungen für verantwortungsbewusste Entscheidungen ab. Der Schutz der Gesundheit der Bürger hat dabei oberste Priorität.

Auch für einen geordneten Weg aus dem kompletten Shutdown trägt die Politik ihre Verantwortung und wird dabei von der Wirtschaft durch Beratung und Sachkenntnis unterstützt.

Die Politik darf dabei von der Wirtschaft nur solche Präventionsmaßnahmen verlangen (angemessener Mund- und Gesichtsschutz, Handschuhe, Schutzkleidung, etc.), die diese auch zu angemessenem Aufwand - wirtschaftlich und technologisch - erfüllen kann. Sie hat dabei auch sicherzustellen, dass bei der Beschaffung keine unerwünschten Verdrängungseffekte zu Lasten von Arztpraxen, Kliniken, etc. entstehen.

2. Einheitliches Handeln, koordiniertes Vorgehen und verbindliche Regeln
Für die Akzeptanz und den Erfolg notwendiger Maßnahmen bedarf es zwingend eines koordinierten Vorgehens von Bund, Ländern und Kommunen. Bund und Länder müssen sich auf einen bundesweit einheitlichen Mindestrahmen und verlässliche Absprachen einigen und diese auch einhalten. Bundesländer, die schärfere Maßnahmen ergreifen wollen, müssen dies klar kommunizieren und allgemeinverständlich begründen.

Einvernehmen sollte zu grundsätzlichen regionenunabhängigen Fragen erreicht werden, wie Wege zu einer stärkeren Testung, Vorgehen zur Einführung einer Tracing-App, Maßnahmen zur Sicherstellung von Präventionsmaßnahmen oder die Entscheidung zur Öffnung von Geschäften und Gastronomie.

Die schrittweise Rückkehr zu einem geordneten Geschäftsbetrieb sollte nach nachvollziehbaren und verbindlichen Regeln erfolgen, die gegebenenfalls auch differenziert nach der jeweiligen regionalen Risikolage bestimmt werden. Wettbewerbsverzerrungen, Rechtsunsicherheit und kollektive Verunsicherung sind dabei möglichst zu vermeiden. Der Koordinierung unter den norddeutschen Bundesländern kommt dabei - insbesondere im Bildungsbereich - besondere Bedeutung zu.

3. Klare Kommunikation
Für jeden Schritt, sei es die Beibehaltung oder der Übergang zu einem geordneten Normalisierungsprozess, muss die Politik einen Zeitplan darlegen. Dazu gehört auch die eindeutige Darstellung von Risiken und der Möglichkeiten des verantwortlichen individuellen Verhaltens.

Politik sollte klare Verhaltensregeln, konsequente Maßnahmen und eindeutige Verantwortlichkeiten für die Bevölkerung wie auch für Beschäftigte und Unternehmen darlegen. Für eine schrittweise Rückkehr zu einem geordneten Geschäftsbetrieb braucht es einen zeitlichen Vorlauf und eine klare Kommunikation. Entsprechende Festlegungen müssen realistisch, durchführbar, eindeutig und verständlich sein. Unterschiedliche Auslegungen von Auflagen durch verschiedene Behörden und Zuständigkeitsebenen sind unter allen Umständen zu verhindern.

4. Regelmäßige Überprüfung und transparente Entscheidungsprozesse
Die ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Epidemie stellen erhebliche Eingriffe in die Grundrechte aller Bürger und Unternehmen dar. Diese Eingriffe sind deshalb regelmäßig auf ihre Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Diese Risikobewertungen müssen die Abwägung der verschiedenen Auswirkungen umfassen, so auch die wirtschaftlichen und psychosozialen Folgen. Diese schwierige Aufgabe, alle Aspekte in die Gesamtabwägung einzubeziehen, liegt primär bei den zuständigen staatlichen Institutionen.

5. Über die Krise hinausdenken
Der wirtschaftliche Schock durch die Corona-Epidemie zeigt sich angebotsseitig durch die Unterbrechung vieler Wertschöpfungsketten und eine drastische Verringerung des Arbeitsangebots. Auf der Nachfrageseite stockt der Absatz von Waren und Dienstleistungen, vor allem bei den besonders stark betroffenen Wirtschaftsbereichen Einzelhandel, Gastgewerbe, Transportwirtschaft und der Tourismus- und Freizeitwirtschaft.

Die Bundes- und Landespolitik haben darauf mit bislang nicht gekannten Gegenmaßnahmen reagiert. Je länger der „Shutdown“ jedoch dauert, umso weniger lassen sich gravierende ökonomische Folgen vermeiden. Umso wahrscheinlicher werden dann zahlreiche Insolvenzen und eine höhere Arbeitslosigkeit sein. Ein höherer Staatsanteil und eine massiv gestiegene Verschuldung gehören ebenfalls zu den Folgen der Krisenbekämpfung. Deshalb bedarf es neben einer schon jetzt beginnenden Aufbauphase absehbar auch neue Konsolidierungsanstrengungen. Das Verhältnis von privater Wirtschaftsaktivität und staatlicher Intervention muss perspektivisch wieder neu justiert werden.

Insbesondere die dem bisherigen Erfolg der deutschen Volkswirtschaft zugrunde liegende starke Vernetzung von Produzenten und Zulieferern muss besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Um für die in der Krise zerrissenen Wertschöpfungsketten schnell Lösungen und adäquate Maßnahmen zu treffen, bedarf es zahlreicher Maßnahmen. Dafür schlägt die VU die Schaffung eines Beratergremiums „Wertschöpfungsketten“ bei der Landesregierung vor, dem neben Experten aus Verbänden und Kammern insbesondere fachkundige Unternehmer vertreten sein sollten. Dieses Gremium könnte gleichzeitig die Anlaufstelle des Landes für eventuell ähnliche Gremien bei der Bundesregierung darstellen.

Darüber hinaus sind die unterbrochenen Vorbereitungen des Zukunftsbündnisses für das Thema Industrieller Mittelstand wieder aufzunehmen und mitBlick auf die Folgen der Pandemie neu auszurichten.
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[1] S. a. Tourismusverband MV, DEHOGA MV Projekt M GmbH: Tourismus in und nach der Corona-Krise – Lösungsskizze für einen Neustart in MV; 13. April 2020
[2] S. a. HDE: Coronakrise: Vorschläge des Einzelhandels für eine Exit-Strategie; 09. April 2020

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