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Überbrückungshilfen kommen nicht da an, wo sie benötigt werden

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Der Unternehmerverband Norddeutschland Mecklenburg-Schwerin e.V. fordert das Bundeswirtschaftsministerium auf, das Instrument „Überbrückungshilfe“ anzupassen und die Einstiegshürden abzusenken. Die Anstrengungen, die dazu aktuell das Wirtschaftsministerium MV in den Beratungen mit dem Bund unternimmt, werden ausdrücklich begrüßt. Hier hat man längst die Schwächen des vom Bund aufgelegten Programms erkannt. Auch weil man den Dialog mit der Praxis sucht.

Bundesweit sind rund 20 Prozent der Unternehmen nach wie vor von einem vollständigen oder weitreichenden Stillstand ihres Geschäfts betroffen. Diese besonders betroffenen Branchen und Unternehmen benötigen weiterhin Hilfen, um die kommenden Monate zu überstehen. Mit Blick auf steigende Infektionszahlen und vermehrte Reisewarnungen, werden die Unsicherheiten in der Wirtschaft noch länger anhalten.

Es müssen daher die Einstiegshürden zur Inanspruchnahme der Überbrückungshilfen verändert werden. Die bisher vergleichsweise geringe Nutzung dieses Instrumentes – nur 700 Millionen Euro von zur Verfügung stehenden 24,3 Milliarden Euro wurden abgerufen – zeigt, dass die Bedingungen zur Beantragung so gestaltet sind, dass eine Mehrzahl der Unternehmen nicht an dem Programm partizipieren kann. Es muss ein Umsatzeinbruch von mehr als 60 Prozent in den Monaten April und Mai 2020 im Vergleich zu den Vorjahresmonaten nachgewiesen werden.

Gabriele Muchow / Geschäftsführerin Happy Texx / Grevesmühlen:

„Die Umsatzzahlen in den Monaten April, Mai, Juni und Juli 2020 sehen schlecht aus, aber wir schlittern durchschnittlich mit 53 Prozent Umsatzrückgang in den Monaten April und Mai an den geforderten mindestens 60 Prozent Umsatzrückgang vorbei. Hätten wir nichts getan und einfach nur abgewartet, dann wäre der Einbruch noch größer gewesen, aber wir hätten die Einstiegskriterien erfüllt.“

Das Beispiel des Unternehmens Happy Texx zeigt die geringe Praxistauglichkeit des Instrumentes. Happy Texx ist seit mehr als 20 Jahren am Markt, beschäftigt 32 MitarbeiterInnen, die sich alle jeweils lange, d.h. seit 20, 15 bzw. 10 Jahren im Unternehmen befinden. Das Unternehmen veredelt Textilien im großen Umfang für Kunden, die insbesondere aus den Branchen Freizeit, Sport und Musikbusiness sowie Gastronomie, Hotellerie, Einzelhandel, u.v.m., stammen. Aufgrund der Corona-Krise verzeichnet die Happy Texx GmbH seit März einen enormen Umsatzrückgang, welcher auf Betriebsschließungen von Kunden, Absagen von Veranstaltungen, etc. zurückzuführen ist. Um diesen abzumildern, wurden Mund-Nasen-Masken genäht, für die Investitionen getätigt wurden, Prozesse angepasst und entwickelt. Dadurch konnte der Umsatzrückgang abgeflacht und Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zurückgeholt werden. Dennoch bleiben ein starker Umsatzrückgang sowie ein erheblicher Arbeitsausfall, da MitarbeiterInnen u.a. ihre Kinder betreuen mussten. Anspruch auf weitere Überbrückungshilfen haben jedoch nur Unternehmen, die im Zeitraum April und Mai mindestens 60 Prozent Umsatzrückgang aufweisen.

Helge Kiecksee / Kiecksee und Partner mbB Steuerberatungsgesellschaft / Hagenow:

„Bei uns Steuerberatern laufen die Fäden zur Beantragung der Überbrückungshilfen zusammen. Wir stellen jedoch fest, dass selbst Unternehmen, die die Voraussetzungen der Überbrückungshilfe aufgrund des kumulativen Umsatzrückgangs im April und Mai 2020 erfüllen, letzlich keine Überbrückungshilfe bekommen können. Dies liegt daran, dass sich die gestaffelte Förderhöhe dann nach dem Umsatzrückgang jeweils der Monate Juni, Juli und August gegenüber dem Vorjahr berechnet. Eine Förderung der Fixkosten wird nur gewährt, sofern der Umsatzrückgang über 40 Prozent liegt. Einen Nachweis des tatsächlichen Umsatzrückgangs und der förderfähigen Fixkosten muss bis zum 31. Dezember 2021 erfolgen. Erst danach ergibt sich der endgültige Förderbetrag. Zu wünschen ist, dass sich die Anforderungen in der zweiten Förderperiode (September bis Dezember 2020) vereinfachen, um die Zahl der anspruchsberechtigten Unternehmen zu erhöhen. Für die erste Phase hat dies aber keine Auswirkungen mehr, da die Anträge bis zum 30. September 2020 zu stellen sind.“

Thomas Tweer / Präsident UV: „Bleiben die hohen Einstiegshürden bestehen, muss das Programm eher als Beruhigungspille und weniger als wirkliche Unterstützung der Regierung für die Wirtschaft eingeordnet werden. Gerade dort, wo diese dringend benötigt wird, kommt sie nicht an.“

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