Blitzumfrage zu den wirtschaftlichen Folgen des Russland-Ukraine-Krieges
M+E-Industrie ächzt unter Lieferausfällen und Kostensteigerungen – Politische Prioritäten neu justieren
Jeder zehnte Betrieb der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie ist substanziell vom Russland-Ukraine-Krieg betroffen. Das hat eine Blitzumfrage der Arbeitgeberverbände NORDMETALL und AGV NORD ergeben, an der sich im März 129 M+E-Betriebe mit rund 77.000 Beschäftigten beteiligt haben. Die betroffenen Betriebe beziehen einen Teil ihrer regelmäßigen Lieferungen direkt oder über Vorlieferanten aus Russland, der Ukraine oder Belarus – vor allem Eisen, Stahl, Leichtmetall, Metallteile und Erdgas. Zwei Drittel der befragten Betriebe erwarten aufgrund der Krise 2022 Kostensteigerungen im Einkauf von rund 17 Prozent. 43 Prozent stellen sich auf einen Umsatzrückgang in Höhe von rund zwölf Prozent ein. Und 46 Prozent schrauben vorsorglich ihre Gewinnerwartung für 2022 zurück.
„Ein länger währender Krieg in der Ukraine wäre nicht nur eine humanitäre Katastrophe, sondern hätte auch existenzbedrohliche Folgen für etliche Betriebe der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie“, warnt Dr. Nico Fickinger, Hauptgeschäftsführer von NORDMETALL und AGV NORD. Bereits jetzt klagten 59 Prozent der Unternehmen mit Russland-, Ukraine- oder Belarus-Geschäft über Lieferschwierigkeiten oder Engpässe, die in knapp einem Fünftel der Fälle bereits die Produktion beeinträchtigten. 44 Prozent der von Lieferungen aus dem Kriegsgebiet abhängigen Unternehmen können Ausfälle nur schwer oder gar nicht kompensieren. Jeder fünfte Betrieb vermag die tatsächlichen Folgen noch nicht abzuschätzen. Mehr als zwei Drittel suchen derzeit nach einer dauerhaften Alternative, um Lieferausfällen zu begegnen.
„Lieferausfälle, Kostenexplosion und fehlende Planungssicherheit machen unseren Unternehmen zunehmend zu schaffen“, sagt Fickinger. „In dieser Situation erwarten wir von der Ampel-Koalition, dass sie – über die angekündigten Soforthilfen hinaus – ihre Prioritäten neu justiert: Nur eine starke Wirtschaft macht Deutschland robust gegenüber Krisen, und nur starke Unternehmen garantieren sichere Arbeitsplätze und stabile Sozialsysteme“, betont der Arbeitgebervertreter und mahnt: „Wir sind an einem neuralgischen Punkt angelangt: Anstatt die Widerstandskraft unserer Betriebe durch immer neue Regulierungen empfindlich zu schwächen, muss gezielt die Resilienz der Unternehmen erhöht werden, zum Beispiel durch Entlastungen bei Energiepreisen und Kurzarbeitergeld und indem die Versorgungssicherheit der Firmen ebenso hohe Priorität erhält wie die der privaten Haushalte.“ 62 Prozent der befragten Unternehmen erwarten diese Sicherstellung, 78 Prozent befürworten den Abbau von Energiesteuern oder –abgaben.
Knapp ein Fünftel der befragten Betriebe unterhält in der Krisenregion eigene Vertriebs-, Service- oder Produktionsstandorte, besitzt dort Tochtergesellschaften oder Gesellschaftsanteile. 67 Prozent dieser Betriebe reagieren auf den Konflikt mit einem Exportstopp oder dem Abbruch von Geschäftskontakten. Viele sind noch unsicher, ob sie Standorte schließen oder das Geschäft in andere Länder verlagern.
Als Arbeitgeberverbände unterstützen NORDMETALL und AGV NORD die Initiative #WirtschaftHilft, die von den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft – BDA, BDI, DIHK und ZDH – ins Leben gerufen wurde. #WirtschaftHilft möchte Unternehmen dabei unterstützen, ihre Hilfsangebote an der Situation vor Ort auszurichten. Die Initiative arbeitet mit der Bundesregierung sowie den offiziellen Trägern und Institutionen der Flüchtlings- und Ukrainehilfe zusammen. So soll sichergestellt werden, dass flexibel auf veränderte Anforderungen reagiert und gleichzeitig schnell informiert werden kann.