45. NORDMETALL-Martinsgans: Strukturwandel braucht Fachkräfte
„Endlich handeln!“ – Metallarbeitgeber fordern von der Ampel-Regierung eine entschlossene Politik
„Zu langsam und zu ziellos doktert die deutsche Politik an der Bewältigung der Folgen des Ukrainekrieges herum“, sagte NORDMETALL-Präsident Folkmar Ukena in seiner Rede anlässlich des 45. Martinsgansessens der norddeutschen Metall- und Elektroarbeitgeber am Donnerstagabend im Hotel Grand Elysée in Hamburg. Die anschließende Debatte „Endlich handeln! Der Strukturwandel braucht Fachkräfte!“, an der unter anderen Reem Alabali-Radovan (SPD), Staatsministerin beim Bundeskanzler und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, sowie Hamburgs Zweite Bürgermeisterin und Senatorin für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke, Katharina Fegebank (Bündnis 90/Die Grünen), teilnahmen, verfolgten vor Ort rund 400 geladene Gäste. Zusätzlich wurde der Abend live ins Internet übertragen.
Die Ampel-Parteien forderte Ukena in seiner Rede auf: „Legen Sie die ideologischen Scheuklappen ab! Die Energiepolitik ist bei weitem nicht unser einziges Berliner Sorgenkind – vom Bürgergeld bis zur Rente, von immer mehr Regulierungswut bis zum Fachkräftemangel gibt es viel anzumahnen.“ Das befand auch Dr. Nico Fickinger. In seinem Impulsstatement stellte der NORDMETALL-Hauptgeschäftsführer drei Thesen auf, wie dem Fachkräftemangel wirkungsvoll begegnet werden kann: „Erstens müssen wir die Zahl der Erwerbspersonen erhöhen. Das gelingt, wenn Frauen, Zuwanderer und Arbeitslose besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Zweitens müssen wir die arbeitende Bevölkerung länger im Berufsleben halten – nicht allein über einen späteren Renteneintritt, sondern auch über eine höhere Wochenarbeitszeit oder einen früheren Berufseinstieg. Drittens müssen wir junge Menschen und alle Beschäftigten mittels Qualifizierung und lebenslangem Lernen fit machen für die ökologische und digitale Transformation.“
Staatsministerin Reem Alabali-Radovan betonte: „Wir brauchen ein modernes Einwanderungsrecht und sichere Bleibeperspektiven. Wir müssen aber auch für Deutschland als modernes Einwanderungsland werben. Da stehen wir in großer internationaler Konkurrenz.“ Hinsichtlich des derzeit im Vermittlungsausschuss befindlichen Bürgergeld-Gesetzes erhofft sich die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration: „Durch die Weiterbildung oder das Nachholen von Bildungsabschlüssen von Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft kann es uns durch diese Sozialreform gelingen, für diese Menschen Perspektiven aufzubauen, damit sie langfristig am Arbeitsmarkt bleiben, statt sie immer wieder in Maßnahmen oder Hilfsjobs zu stecken.“
Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank bemerkte in der Diskussion selbstkritisch: „Selbst in einer international ausgerichteten Stadt wie Hamburg ist Englisch weder in der Verwaltung noch in den meisten Unternehmen gelebter Standard. Das ist für ganz viele ein ganz großes Thema.“ Und auch an anderer Stelle hinke Deutschland im internationalen Vergleich hinterher: „Das größte Problem sind die Schnittstellen, die oft immer noch unzureichend bis gar nicht funktionieren. Das betrifft Fragen rund um die Anerkennung von Berufsabschlüssen, gepaart mit aufenthaltsrechtlichen Fragen oder denen danach, wie Menschen dann tatsächlich an ihren Job kommen. Das sind oft Schnittstellenfragen, durch die Informationen auf dem Weg verloren gehen. Diese Fehler im Getriebe haben wir in Hamburg erkannt und sind dabei, sie anzugehen.“
Cathrin Kohnke, Senior HR Director Stryker und NORDMETALL-Vorstand, forderte von der Politik, bei der Fachkräfteeinwanderung entschlossener vorzugehen: „Vieles in der Novelle des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes geht in die richtige Richtung. Doch benötigen Unternehmen derzeit mehrere Monate bis zu einem Jahr, um Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland zu holen. Andere europäische Länder sind da sehr viel besser aufgestellt – was die Digitalisierung betrifft, aber auch dadurch, dass sie hemdsärmeliger an den Prozess herangehen. Da wird zugunsten der Schnelligkeit auf aufwendige Verfahren verzichtet. Oder Arbeitgeber können sich als vertrauensvoller Partner von den Behörden zertifizieren lassen. Es gibt also viele kreative Möglichkeiten, um die Prozesse zu beschleunigen.“
Christina Ramb, Mitglied der BDA-Hauptgeschäftsführung, bedauerte: „Wir kümmern uns in Deutschland insgesamt zu wenig darum, dass junge Menschen, die ein Studium begonnen, abgebrochen oder abgeschlossen haben, in Deutschland einen guten Anschluss finden. Dazu gehört ganz zentral die Zusammenarbeit der Universitäten mit der Wirtschaft, aber auch die Schaffung von Bleibeperspektiven für ausländische Studierende durch die Politik.“ Doch auch ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nahm die Vorsitzende des Verwaltungsrats der Bundesagentur für Arbeit in den Blick: „Politisch haben wir derzeit ein Anreizsystem, das Menschen ermutigt, früher in Rente zu gehen. Umso mehr ist es eine Aufgabe von Unternehmen, ihre Mitarbeiter über einen guten Arbeitsschutz oder ein funktionierendes Wiedereingliederungsmanagement möglichst lange gesund im Betrieb zu halten. Wir brauchen ältere Menschen dringend am Arbeitsmarkt – und das ist eine Aufgabe von allen Beteiligten.“
Seit 1978 lädt NORDMETALL, der Arbeitgeberverband der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie, einmal im Jahr zum traditionellen Martinsgansessen nach Hamburg ein.
Die Highlights der Veranstaltung in Foto und Video können Sie auf unserer Webseite abrufen unter meinarbeitgeberverband.de/martinsgansessen